Alles was ihr dem Nächsten habt getan, das habt ihr mir getan – 90 Jahre Haus St. Josef – Akrobatik im Zirkuszelt

Im Rahmen einer eindrucksvollen Feier, aber auch eines fröhlichen Zirkus gedachten Ehrengäste, ehrwürdige Schwestern, aber auch die Kinder und Jugendlichen der 90 Jahre, in denen die Heilpädagogische Einrichtung Haus St. Josef, das frühere Kinderheim, segensreich für Benachteiligte wirkte. Fast ein Jahrhundert steht das Haus dafür, dass es Kindern ein neues Zuhause gibt.
Bei einem gemeinsamen Gottesdienst, den die Kinder musikalisch umrahmten und den Pfarrer Wolfgang Keller zusammen mit dem früheren Pfarrer Stefan Seibold, Kaplan Anton Haslberger sowie den Ruhestandspriestern des Pfarrverbandes zelebrierte, begann der festliche Tag. Pfarrer Keller ging auf die Talente ein, die jeder Mensch einbringe, egal welche Vorgeschichte er habe. In Anlehnung an das anschließende Feiern im Zirkuszelt ging der Priester auf die Magie ein und was sie im Leben aber auch für den Zirkus bedeute. Es sei wichtig, ein Zelt zu haben, in dem man sich entwickeln könne. Der Herrgott selbst biete uns aber ein Programm fürs Leben an.
Zum Festakt konnte der Geschäftsführer des Sozialwerk Heilig Kreuz, Bernhard Haimböck, die MdL Prof. Dr. Gerhard Waschler und Alexander Muthmann, Landrat Franz Meyer mit seinen Mitarbeitern aus dem Sozialbereich, Bezirksrat Josef Heisl jun., die Bürgermeister Norbert Marold, Büchlberg, und Max Draxinger, Hutthurm, sowie den priesterlichen Dienst, die Vorsitzende des Freundeskreises Marianne Lang und die ehrwürdigen Schwester um die Provinzoberin Schwester Marika Wippenbeck besonders begrüßen.
In einem sehr ausführliche Rückblick ging Haimböck auf die einzelnen Entwicklungsschritte, aber auch die Probleme ein, die das Haus für dieses bald ein ganzes Jahrhundert ein. Am 19. Juni 1929 sei das erste Kind hier in das „St. Josefsheim“ eingezogen, die kleine Therese aus Unterpolling. Im Vorfeld habe es sogar eine direkt Spende zur Einrichtung des Hauses von Pabst Benedikt XV (1914-1922) gegeben. In der Folge sei nach dem Jesuswort verfahren worden, „wer ein Kind aufnimmt, der nimmt mich auf“, oder aber auch „was ihr dem Nächsten habt getan, das habt ihr mir getan“.
Aber nicht nur in der Kinderbetreuung waren die Schwestern hier in Büchlberg aktiv. Am 26.01.1934 übernahm Sr. Winfrieda Meißner eine ausgebildete Krankenschwester die ambulante Krankenpflege hier in der Region. Am 03.05.1940 genehmigt der Landrat von Passau das Kinderheim. Im November 1940 wurde das St. Josefshaus Kinderlandverschickungslager. Viele Flüchtlingskinder sind dann aufgenommen worden, die den Kontakt zu den Eltern verloren hatten. Im Januar 1948 platzte das Heim aus allen Nähten und muss erweitert werden. Im Dezember 1948 wurde der Neubau eingeweiht. Ein weiterer Neubau stand 1950 an.
Im April 1960 wurden bereits 108 Heimkinder und 38 Ferienbuben betreut. Für die Schwestern war die Regel Richtschnur, dass der Wert des Einzelnen einzig und allein darin bestehe, Kind Gottes zu sein. Denn Gott begegnen wir sichtbar nur in Mitmenschen, ganz besonders in den Armen, Ausgestoßenen, Kleinen und Hilflosen. „Was Ihr dem Geringsten meiner Brü-der getan, das habt ihr mir getan! Vergessen wir das nie“, mahnte Haimböck.
1964 betreuten 21 Schwestern nahezu 100 Kinder und leiteten die Kindergärten in Hutthurm und Büchlberg, eine Schwester erteilte Handarbeitsunterricht und eine Schwester war in der ambulanten Krankenpflege tätig. Heute habe man das Problem, dass man die Stellen nicht besetzen könne. Man müsse sich neu orientieren, weil die Kitas als Konkurrenten die Fachkräfte locken.
Von mehrfachen Besuchen der Weihnachtsfeiern durch den damaligen Landrat Baptist Kitz-linger berichtet auch die Chronik. „Die Weihnachtsfeier und Bescherung in Büchlberg ist für mich immer das schönste von Weihnachten“, soll Kitzlinger einmal gesagt haben. 1975 war es dann so weit, der Neu- und Erweiterungsbau konnte eingeweiht werden. Sogar ein Lehrschwimmbecken wurde eingebaut. Der Geschäftsführer befasste sich auch mit den pädagogischen Konzepten. Ziel sei es, eine persönliche Bindung aufzubauen, kleinere familiäre Gruppen sollen die Mutterstelle vertreten. Man wolle eine große Familie mit Freuden, Sorgen und Problemen, mit wunderschönen Festen und gemütlichem Beisammensein aber auch mit Arbeiten, Lachen, musizieren und Streiten.
In einem Fachvortrag befasste sich Paul Kascha mit einer Evaluation der geschlossenen Heimerziehung. Der Fachmann machte deutlich, wie lange im Schnitt die Verweildauer ist und was für Gründe zu einer Aufnahme führen. In der Regel seien es eine erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung, Schulprobleme, Drogen, Selbstverletzungen einerseits oder Straftaten wie Diebstähle, Aggressionen oder Bedrohungen andererseits. Die Aufenthaltsdauer betrage acht bis 43 Monate, anschließend folge eine Überweisung in ein anderes Heim in eine offene Wohngruppe. Die Betreuung sei überwiegend erfolgreich, es gebe aber auch Rückfälle.
Selten passe der Begriff „segensreiches Wirken“ so wie hier, stellte Landrat Franz Meyer fest, der ja auch das Kuratorium leitet. Das Haus mit seinen ungemein engagierten Kräften sei für den Landkreis eine wesentliche Säule der Jugendhilfe, weil es zu den hochqualifizier-testen in der Region zähle. Es sei ungemein wichtig, diesen benachteiligten jungen Leuten einen guten Start ins Leben zu ermöglichen. Meyer lobte das Wirken der Schwestern und richtete den eindringlichen Appell an die Menschen, sich wieder mehr auf Werte wie Toleranz und Nächstenliebe zu besinnen.
Bürgermeister Norbert Marold lobte den hervorragenden Ruf, den sich das Haus über die Jahrzehnte erworben habe. Dieses Engagement, ein geregeltes Zuhause zu bieten, sei für unsere Gesellschaft längst unverzichtbar. Gerade diese jungen Leute brauchen Menschen, die ihnen helfen, die sie beraten und die ihnen Zuwendung geben, schloss Marold. Vor 15 Jahren sei der Freundeskreis gegründet worden, erklärte Marianne Lang, die dem Verein vorsteht. Mit dem Logo „Freunde im Leben sind wichtig“ wolle man ausdrücken, nicht nur Freunde zu haben, sondern auch Freund zu sein. Vor 15 Jahren sei das Haus in einer schwierigen Lage gewesen, deshalb sei es ihnen ein Anliegen gewesen, diese Freundschaft als Unterstützung anzubieten.
Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dankte die Provinzoberin für ihren Einsatz. Die ehr-würdige Schwester machte deutlich, dass in jedem Menschen etwas Gutes sei, ein guter Kern und sei er noch so versteckt. Das sei bei der Sicht auf die Kinder und Jugendlichen stets zu bedenken.
Dann durfte im Zirkuszelt endlich gefeiert werden. Atemberaubende Akrobatik, lustige Gags und vieles mehr wurden dort den Gästen, den Eltern und Angehörigen aber auch dem Personal von den Kindern und Jugendlichen geboten. Als Zirkusdirektor fungierte Heimleiter Thomas Brecht, als seine Assistentin Gruppenpädagogin Julia Kapfhammer.
Fotos und Text: Josef Heisl